Seminararbeit am

Institut für Hochbau für Architekten

Abteilung Bauphysikalische und

Humanökologische Grundlagen

des Hochbaues

Technische Universität Wien

Valentin D.-Wille | September 1999


Inhalt:

Einführung

Lehmaufbereitung

Stampflehmbau

Lehmsteinbau

Direktes Formen von Nasslehm

Zukunft des Lehmbaus

Zahlen & Fakten Lehm


EINFÜHRUNG (1)

Lehm ist der älteste Baustoff der Erde. Seit Menschengedenken wird er als Grundlage für den Hausbau verwendet. In vielen Kulturen gilt er auch heute noch als erlesenes und kostbares Material. Bei uns wurde er im Laufe der Geschichte immer wieder durch neue, industriell gefertigte Produkte verdrängt. Zu Unrecht war er lange Zeit als »Arme-Leute-Baustoff« verpönt. Heute erlebt Lehm wieder eine Renaissance.
Nicht zuletzt ausschlaggebend für diesen Umstand sind die großen Vorteile von Lehmwänden:

- Geruchsfilter,
- feuchtigkeitsausgleichende Wirkung (Lehm kann ca. 20 Mal soviel Feuchtigkeit aufnehmen wie z.B. ein gebrannter Ziegel),
- benötigt für Haltbarkeit keine chemische Konservierung (wie z.B. Holz),
- konserviert Holz,
- bindet Schadstoffe,
- stets wiederverwendbar,
- fast überall im Überfluss vorhanden.

Dem gegenüber stehen nur einige wenige Nachteile, wie:

- Lehm ist nicht wasserfest,
- er schwindet beim Austrocknen,
- er ist wegen den vielen unterschiedlichen Zusammensetzungen nicht normiert, und
- Lehmbauten sind durchschnittl. um 5 % teurer als andere Bauweisen.

Dennoch wird sich die Lehmbauweise in den nächsten Jahren besonders in Europa stark durchsetzen, da sie mit Sicherheit die umweltfreundlichste und ökologischte Bauart ist. Nebenbei sorgen Lehmwände für ein angenehmes Raumklima wärend des ganzen Jahres und sind bei gekonnter Verarbeitung auch noch eine optische Bereicherung für einen Neubau. Obwohl Lehm eigentlich nur ein Art »Erde« ist, ist seine Druckfestigkeit beachtlich. Es ist, z. B. kein Problem, aus tragenden Lehmwänden ein mehrstöckiges Haus zu bauen (Beispiel: in Weilburg an der Lahn (Deutschland) steht ein intaktes, fünfstöckiges Lehmgebäude aus dem Jahre 1828 und immer noch rissfrei, Abb. 01); auch das Befestigen schwerer Möbel an Stampflehmwänden ist möglich. In allen Kulturkreisen der Welt ist Lehm bekannt und vorhanden. Allein in Deutschland gibt es rund 2,2 Millionen Fachwerkhäuser und ca. 200.000 massive Lehmbauten.

GESCHICHTE

Die ersten bekannten Lehmbauten entstanden zwischen 8000 und 6000 v. Chr. in Turkestan (Rußland) und waren rechteckige Lehmsteinhäuser. In Assyrien fand man Stampflehmfundamente aus der Zeit um 5000 v. Chr., und auch die Chinesische Mauer, begonnen im 3. Jahrhundert vor Christi unter Kaiser Qin Shi Huang-ti, war ursprünglich aus Lehm gemacht, ehe sie aus Gründen des zusätzlichen Schutzes mit Steinen verkleidet wurde.
In Teotihuacan (Mexiko) steht bis heute eine Sonnenpyramide, deren Kern mit ca. 2 Millionen Tonnen Stampflehm gefüllt ist. Im Mittelalter verwendete man Lehm in Mitteleuropa hauptsächlich zum Ausfachen von Fachwerkbauten und als »Lehmputz«, aber auch als Brandschutz für die damals üblichen Strohdächer. Bei einigen Bauten befand sich unter dem eigentlichen Strohdach noch ein zweites Dach als Brandschutz für den Innenraum, sozusagen ein »Dach unter dem Dach«. Die ältesten heute noch bewohnten Lehmhäuser in Deutschland stehen in Bernbruch/ Kreis Grimma, erbaut 1718, und ein zweistöckiges Gebäude aus dem Jahre 1768 ist in Gottscheina bei Leipzig zu finden.

STAMPFLEHMBAU - Einführung

Der Stampflehmbau ist die am weitesten verbreitete Art des Lehmbaus. Weitere Arten sind der Lehmsteinbau, Bauen mit Lehm-Fertigteilen, direktes Formen von Naßlehm (u. A. Stranglehmwände), Bauen mit Naßlehmfüllungen für Fachwerk- und Skelettbauweisen und der vor allem im Mittelalter weitverbreitete »Wellerbau«. Der Stampflehmbau wurde vermutlich um 5000 v. Chr. in Assyrien entwickelt und kam im Mittelalter in Frankreich auf. Von dort breitete er sich dann, iniziiert durch die Schriften von François Cointeraux (um 1790/91) über Europa aus, vorallem nach Ost-Deutschland . Bei dieser Technik wird relativ trockener, fettarmer Lehm in eine Schalung eingefüllt und manuell (mit Stampfwerkzeugen) oder maschinell (mit elektrischen oder pneumatischen Stampfern) verdichtet. Sie ist die einfachste und langlebigste Form des Lehmbaus, da die Oberfläche absolut plan und fugenlos ist (zur Regenwasserabweisung und die Konsistenz der Wand die größte Dichte aufweist. Die einzigen dafür benötigten Werkzeuge sind Geräte zur Aufbereitung des Rohstoffes Lehm, Schaufeln, eine Schalung (kann aus Brettern, Balken und Seilen leicht selbst angefertigt werden) und Stampfer zum verdichten).

LEHMSTEINBAU - Einführung

Beim Lehmsteinbau wird eine Wand aus vorgefertigten Lehmziegeln (sogenannten »Grünlingen«) gebaut, was anundfürsich die gleiche Technik wie beim Ziegelbau ist. Nur wird als Verbindung Lehmmörtel statt Zementmörtel verwendet. Bei Grünlingen ist, verglichen mit Ziegeln, nur darauf zu achten, daß sie vor der Verarbeitung keinesfalls naß werden, da dies unweigerlich zur Zerstörung des Ausgangsmaterials führen würde. Die Nässe, die sie bei der Verarbeitung durch den feuchten Lehmmörtel bekommen, überstehen sie jedoch unbeschadet.

NASSLEHMFORMEN - Einführung

Die gängigste Technik beim Naßlehmformen ist die Verwendung von Lehmsträngen.
Dabei wird relativ fetter Lehm (ca. 15 % Tonanteil) mit Sand, Wasser und, zur Erhöhung der Abrieb- und Wasserfestigkeit, etwas Molke angemacht und mit einer Lehmstrangpresse in längliche Stränge mit variablen Querschnitt (optisches Kriterium) gepreßt. Diese werden danach in ca. 70 cm lange Stücke zerteilt, um das Trockenschwindmaß möglichst auf Null zu reduzieren. Diese Stränge können leicht transportiert, aufeinandergeschichtet und danach im noch feuchten Zustand geformt werden, wodurch man sehr große künstlerische Freiheiten hat.

NASSLEHMFÜLLUNGEN FÜR FACHWERKE- Einführung

Füllungen aus Lehm bei Fachwerkbauten gibt es schon seit mehrere Jahrtausenden. In Afrika und anderen trocken-heiß-klimatischen Gebieten "verwebte" man die Wände mit weichen, biegsamen Zweigen und bewarf diese danach mit Lehm, der an der Außenseite mit den Händen glattgestrichen wurde.
Dadurch hatte man eine winddichte, feste Hülle, die in diesen Gebieten keine besondere Wärmedämmung aufweisen mußte.
In Europa baute man im Mittelalter zumeist Holzständerbauten, die danach mit Strohlehm (zur Isolierung) ausgefacht wurden und außen einen Kalkanstrich als Feuchtigkeitsschutz bekamen. Dabei mußte man besonders auf die Trockenheit des Strohs achten, da noch nicht ganz ausgetrocknetes Stroh während des Trocknungsprozesses des Lehms leicht zum Faulen neigt und die Wand damit unbrauchbar machen würde. Auch heute noch werden manche Neubauten in der Holzständerbauweise mit Strohlehm oder wärmedämmenden Leichtlehm mit Blähton- oder Bimszusätzen verfüllt.

LEHMWELLERBAU- Einführung

Der Lehmwellerbau ist uns seit dem Mittelalter bekannt und hat gegenüber der herkömmlichen Stampflehmbau einen gravierenden Vorteil: man erspart sich die Schalung. Bei dieser Technik werden Lehmklumpen Schicht für Schicht aufeinander gelegt und mit den Füßen oder einem Stampfer verdichtet. Die Außenflächen werden danach im noch feuchten Zustand mit einem Eisen "abgestochen". Diese Methode geht relativ schnell, die Mauern werden jedoch nicht so verdichtet wie beim Stampflehmbau und haben daher auch eine geringere Tragfähigkeit.